Der Koch setzt bei der Herstellung flüssiger Speisen (Suppen, Soßen) Bindemittel ein, die das jeweilig erwünschte Aroma nicht beeinträchtigen, entsprechende Fließeigenschaften gewährleisten
Der Koch setzt bei der Herstellung flüssiger Speisen (Suppen, Soßen) Bindemittel ein, die das jeweilig erwünschte Aroma nicht beeinträchtigen, entsprechende Fließeigenschaften gewährleisten (von schwach sämig bis deckend) und uns mit Nährstoffen versorgen, vor allem mit Glukose. Außerdem ist eine nicht mehr wässrige Speise sättigender.
Das wohl häufigste Bindemittel ist das Mehl. Es ist fachlich betrachtet ein Müllereierzeugnis, das den Vermahlungsgrad (die Feinheit der Partikel) überwiegend des Weizenkorns bezeichnet. Weichweizenmehle sind perfekte Bindemittel für nicht klare Flüssigkeiten. Sonst verwendet man Stärkeerzeugnisse, die keine Eiweißanteile enthalten.
Auf welche Weise wird Mehl als Bindemittel eingesetzt?
In einfachster Art als Schlämme. Hier wird Mehl mit Wasser vermengt und in die zu bindende Flüssigkeit gegeben. Diese „Hausfrauenvariante“ wird vom Koch in der Regel nicht eingesetzt, da die spätere Bindung weniger „fein“ (perlend, feinsämig) ist, sondern „hängend“ über den Löffel gleitet. Das liegt vor allem daran, dass das Getreideeiweiß im Mehl sofort nach dem Kontakt mit Wasser lange Fäden ausbildet, die sich rasch in kaltem Wasser zu einem netzartigen Verband aus gequollenem Gliadin und Glutenin (Gluten) verbinden. In diesem Netzgewebe schweben die rohen Stärkekörner frei. Ohne den Eiweißanteil würden sich die Stärkepartikel rasch am Boden absetzen. In diesem gut verteilten Zustand lässt sich die Mehlschlämme problemlos in die zu bindende heiße Flüssigkeit einrühren.
Das Bild unten zeigt den Benetzungseffekt auf einem dünnen Mehlfilm.

Und schließlich lässt sich gegen eine Mehlschlämme einwenden, dass (zusätzlich) Wasser verwendet wird. Besonders bei edlen zu bindenden Flüssigkeiten dürfte dadurch das Aroma abflachen.

 Mehl direkt als Pulver in die heiße Flüssigkeit zu streuen verbietet sich, da die am Mehlkörper haftenden Eiweiße die Stärkepartikel zusätzlich beieinanderhalten (Vernetzungseffekt). Zwar tritt am Rand dieser Stärkeansammlungen eine Quellung ein, die ihrerseits aber wie eine Art Wasserbarriere wirkt. An die  inneren Stärkekörner gelangt zu langsam und zu wenig Wasser, die deshalb nur unvollständig verkleistern. Diese Mehlaggregate nennt man „Klumpen“.

Wie also bekommt man Mehl in die Flüssigkeit, ohne dass dabei Klumpen entstehen?

Die Fachleute waren recht pfiffig, wie wir gleich sehen werden. Im Grunde gilt es zu verhindern, dass das Eiweiß des Mehls nicht die Quell- und Verkleisterungsvorgänge der Stärke behindert und muss daher in seinem Vernetzungsbestreben ausgebremst werden – zumindest am Anfang des Bindevorgangs.

 Bei starker mikroskopischer Vergrößerung erkennt man die einzelnen Partikel von Stärke und Eiweiß. Sie liegen eher lose beieinander; das Eiweiß liegt nicht als faserartige Matrix um die Stärkekörner herum, sondern als abgeflachte Teilchen zwischen den Stärkekörnern.

Auffällig ist die Vielzahl der Hohlräume. Diese sind für das typisch mehlige Aussehen verantwortlich. Besonders bei Weichweizenmehle sind die Stärkekörner weniger fest mit den Eiweißanteilen verbunden.

(Bild 2: Meyer u. Zwingelberg, 1998)

Insbesondere die Hohlräume sind ideale Befüllungskavernen für Flüssigkeiten aller Art. Allerdings kann man diese Höhlen auch mit „knetbaren“ Anteilen füllen. Hierzu bedarf es dann allerdings der „Handarbeit“. Mittels Finger oder Gabel lassen sich Butter und Mehl (1:1) vermischen, wodurch sich ein Fettfilm um die einzelnen Partikel legt. Mit anderen Worten: Sie werden von einander getrennt, indem sie im Fett eingebettet werden. Diese pastöse Masse wird als Mehlbutter – Beurre manié – bezeichnet.

Einsatz von Beurre manié

Wird diese kalte Mehlbutter-Mischung in eine heiße Flüssigkeit eingerührt, dann werden nach und nach die einzelnen Partikel aus dem Fettfilm (der erst schmelzen muss) freigesetzt und können sofort in der heißen Flüssigkeit vollständig verkleistern; einmaliges Aufkochen reicht daher.

Sie eignet sich insbesondere für à la minute Zubereitungen (z.B. zum Andicken von kleinen Mengen an Fonds: Fisch, Champignons u.dergl.). Für größere Portionszahlen ist der Einrühraufwand zu groß (es sei, man verwendet Pürierstäbe aus der Großindustrie).

Anmerkungen zur Roux-Bindung

Die Ausgangsmaterialen zwischen der Mehlbutter und der Roux sind identisch: Butter und Mehl. In der Roux sind etwa 10 – 15% mehr Mehlanteile, was seine Dominanz  unterstreicht. Mehr Mehl bedeutet später mehr Bindung. Während bei der Mehlbutter etwa 50% Butteranteile benötigt werden, um eine ausreichende Separierung der Mehlpartikel zu erreichen, ist dies offenbar bei der Roux nicht notwendig, die Butter hat hier eine andere Aufgabe!

Wenn wir z.B. eine Roux blanc herstellen wollen, geben wir zuerst die Butter in das Gefäß und lassen sie flüssig werden. Dann geben wir das Mehl hinzu, das sofort die flüssige Butter aufnimmt (in ihren „Kavernen“). Fett durchdringt die gesamte Masse und wird zum Garmedium, d.h., es transportiert die Wärme des Topfbodens durch die vielen „Hohlräume“ des Mehles hindurch zu den einzelnen Stärke- und Eiweißpartikeln. Diese schwitzen jetzt gleichmäßig ihren Wasseranteil aus; danach steigt die Temperatur kontinuierlich über 100°C  an. Dieser Anstieg wird je nach gewünschter „Farbe“ beendet. Bei der weißen Roux bevor sich die ersten „Braunkörper“ (Melanoide) bilden, also etwa bei 130°C.

Weshalb wird hier das Mehl derart heiß im Fett „geschwitzt“? Antwort: Die Stärkeanteile sollen zu Dextrinen abgebaut werden!

Dextrine sind wasserlöslich, haben jeweils ein erheblich kleineres Molekül als Stärke und sind aufgrund dieser geringeren Größe nicht weit von den niedermolekularen Zuckern weg. Sie schmecken daher etwas lieblich. Auch die Bindequalität der Flüssigkeit ist feiner, glatter, perlt kürzer vom Löffel. Um dieses Ziel zu erreichen verwendet man klassisch Butter als wärmeleitendes Medium.

Und weshalb muss das Ganze noch etwa 15 Minuten auskochen?

Schließlich sind doch die Stärkepartikel bereits durch die hohen Temperaturen zumindest vorgegart?

Antwort: Wir müssen auf den Eiweißanteil schauen! Das Mehleiweiß wird ja ebenfalls der gleichen hohen Temperatur ausgesetzt. Würde man ein Spiegelei in der Pfanne 130°C aussetzten, so entsteht schnell ein brauner Rand („Trauerrand“). Was nichts anderes heißt, als dass dem Eiweiß das Wasser entzogen worden ist und es zu einer extremen Veränderung seiner molekularen Struktur kommt: es wird „brettartig“ hart.

Im Mehlkörper passiert nichts anderes. Nur hier haben sich die Eiweiße in den ersten Sekunden der Hitzezufuhr noch zu fadenartigen Strukturen entwickelt (Schwitzwasser) und sind mit den Stärkepartikeln „verwachsen“, die ihrerseits jetzt gruppenweise in der „Fadenfalle“ sitzen. Mit weiterer Temperaturerhöhung „verschweißen“ die Eiweiß- Stärkeeinheiten schließlich zu relativ schwer löslichen Aggregaten durch starken Wasserentzug .

Wird dieses Mehl-Butter-Gemisch in eine heiße Flüssigkeit gegeben, so bedarf es ausreichend Zeit, um Wasser-Molekül für Wasser-Molekül an die „bindungsunfreundlichen“ Rouxpartikel zu lagern und sie zum vollständigen Quellen zu bringen. Etwa 15 Minuten.

Zur Anschauung

07.01.2010, 12:28 von Günther Henzel | 25738 Aufrufe

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