Die Bezeichnung „gesunde“ Ernährung stellt einen qualitativen Zusammenhang zwischen den Merkmalen unserer Nahrung und ihrer Wirkung auf unseren Organismus her. Des Weiteren schließt diese Aussage ein, dass es auch ungesunde Formen der Ernährung gibt. Bedenkt man, dass sich die Menschheit seit Jahrhunderttausenden von den Rohstoffen ernährt, die entweder gejagt oder gesammelt worden sind, dann kann sich gesund oder ungesund wohl nur auf deren Inhaltsstoffe beziehen – wenn nicht direkt Gifte oder anderweitig Verdorbenes gemeint sind.

Und schließlich ist das Urteil, ob etwas (dauerhaft) “gesund” oder weniger “gesund” ist nur dann bedeutsam, wenn sich daraus ein Zusammenhang mit der Lebenserwartung ableiten lässt. Nach aktuellster Auswertung der jährlichen Sterbefälle für 188 Länder und 240 Todesursachen im Fachblatt “The Lancet” ist die Lebenserwartung seit 1990 um sechs Jahre gestiegen (in: Welt,18.12. 2014). Das Besondere dieser Erhebung: Die isländischen Männer haben weltweit die höchste Lebenserwartung, nämlich 81 Jahre (in Deutschland “nur” 78 – Frauen 83 Jahre). Ob daran ihre “gesunde” Ernährung beteiligt ist? (Hierzu Anmerkung unten).

Ungesunde“ Pflanzen

Tatsächlich haben besonders Pflanzen eine Vielzahl von Giften (Solanin, Blausäure, Pilzgifte u.a.m) oder Reizverarbeitungssysteme des Menschen beeinflussende Substanzen (Alkaloide u.a.m.), die sie als Abwehrstoffe gegen Fressfeinde entwickelt haben. Diese Pflanzengifte lassen sich überwiegend durch hohe Temperaturen zerstören – also durch thermisches Garen oder aber durch verschiedene Zubereitungstechniken in ihrer Schädlichkeit minimieren, z.B. durch Fermentation. Mit diesen uralten Techniken „entgiften“ wir unsere Nahrung soweit, dass wir sie nach der entsprechenden Zubereitung sorglos verzehren können. Deshalb sind auch die alten Rezepte so wertvoll, weil darin noch ein heute z.T. verlorengegangenes Wissen im Umgang mit Rohstoffen bewahrt ist.

Ungesundes“ Fleisch

Für tierische Nahrung gilt Ähnliches. Neben Krankheitserregern sind hier vor allem auch äußere Bakterien, Parasiten und Schmarotzer gemeint, die wir mit dem Verzehr von rohem Fleisch, Fisch oder Geflügel aufnehmen könnten. Auch hier helfen die altbewährten Zubereitungstechniken, wie Kochen, Braten, Grillen, in Sauer einlegen, starkes (scharfes) Würzen, Knoblauch, Zwiebeln und vieles andere mehr geradezu perfekt. Nach dieser „Behandlung“ können wir unsere tierischen Produkte mit Genuss und ohne Sorgen um unsere Gesundheit verzehren. 

Probleme gibt es in der Regel immer dann, wenn die Garverfahren nicht korrekt durchgeführt worden sind (z.B.: Das Geflügel wurde nicht durchgegart) oder wenn die Rohstoffe falsch (feucht, zu warm) lagerten bzw. der eingetretene Verderb nicht (oder zu spät) bemerkt wurde.

Wir sehen, dass der Mensch im Laufe seiner kulturellen Entwicklung durch unzählige (über Generationen erworbene) Kenntnisse im Umgang mit seiner Nahrung schließlich Verfahren entwickelt hat, die seine Nahrung „gesund“ und bekömmlich machen (genetische Veränderungen, die zu unseren weniger giftigen Nutzpflanzen geführt haben, sollen hier nicht weiter besprochen werden).

„Gesunde“ Ernährung in der Gegenwart

Spricht man heutzutage von gesunder Ernährung, so ist der oben beschriebene Zusammenhang in der Regel nicht gemeint – wenn wir einmal die „Rückstandsproblematik“ beim Pflanzenanbau oder die „Futtermittelzusätze“ bei der Tierproduktion außer Acht lassen. Heute geht es vor allem um den Anteil der Nährwerte, die es bei der Wahl der Rohstoffe und Zubereitung zu bedenken und zu bewahren gilt. Jedoch, spätestens beim zweiten Blick auf diesen Sachverhalt wird man nachdenklich. Wieso gab es das „Vitaminproblem“ nicht schon früher? In keinem alten Rezept wird auf „Vitaminschonung“ oder Ähnliches hingewiesen! Eher schon wird der wunderbare Geschmack und die verbesserte „Stimmung“ ausgelobt, wenn denn auch Muskat, Nelken, Zimt und Alkohol etc. verwendet worden sind.

Nun kann man einwenden, dass die Vitamine erst 1912 (von Casimir Funk) entdeckt worden sind und deshalb wegen bloßer Unkenntnis nicht „geschützt“ wurden. Dann aber müssten unzählige Menschen an Vitaminmangel-Erkrankungen dahingerafft worden sein, wenn man die „groben“ Verfahrenstechniken (stundenlanges Kochen) alter Rezepte berücksichtigt, die auch mit Fett nicht gerade zimperlich umgehen. Gestorben sind die Menschen früher nicht an einer „Vitaminunterversorgung“, sondern aus purer Not. Nach Dürreperioden, Kriegswirren und seuchenartig verlaufenden Krankheiten (die auch die Bauern heimsuchten) gab es einfach nicht genug zu essen.

Und weshalb haben wir heute, in einer Zeit des Überflusses, wo „Milch und Honig fließen“, Fleisch z.T. billiger als Bio-Brot oder eine Stunde Parken in der Innenstadt teurer als ein Suppenhuhn bei Aldi sind, unzählige Gesundheitsratgeber, die geradezu um jedes Vitamin zu „kämpfen“ scheinen und sie auf den Altar der Gesundheit heben (wertvolle tierische Fette haben dieses Image merkwürdiger Weise nicht!)?

Die Antwort ist einfach und zugleich mehrschichtig. Letzteres hängt mit dem Aufkommen von Maggis Brühwürfel, 5-Minuten Terrine, Analog-Käse und anderen Covenience-Produkten zusammen, die zwar so schmecken wie das bekannte „Original-Rezept“, deren Rezepturen aber aus Gründen der Gewinnmaximierung verändert worden sind (teure Anteile werden gegen preiswertere Rohstoffe ausgetauscht) und faktisch nur mittels künstlicher Aromen und Farben eine bewährte Qualität vorgaukeln, die sie in Wahrheit also nicht haben.

Diese Billigprodukte (Brot, Käse, Wurst etc.) werden vom Konsumenten schon nach kurzer Zeit nicht mehr gemocht (Stichwörter: Darmhirn, metabolische Kontrolle!) und müssen daher mit Marketing-Strategien beworben werden, um nicht aus dem Sortiment zu fallen. Was liegt da näher, als den „Gesundheitswert“ dieser Nahrung auszuloben, indem man auf die Extraportion Vitamine verweist. Das macht wieder Appetit und lässt gern auch mal den Geldbeutel etwas lockerer sitzen.

Der zweite Grund liegt im Verlust der Kochkenntnisse. Viele junge Mütter haben von ihren eigenen Müttern zu wenig Anleitung erfahren, um aus frischen Rohstoffen schmackhafte und bekömmliche Speisen zubereiten zu können. Der Pizza-Service ist die zeitsparendere Alternative zum planvollen Einkaufen und arbeitsaufwendigen Zubereiten. 

Resumée

„Gesunde“ Nahrung ist nichts anderes, als natürliche Nahrung, die nach alten, bewährten Zubereitungstechniken zu Speisen und Gerichten verarbeitet worden ist. Da sich die Rohstoffe erheblich unterscheiden, sind unterschiedliche Garmethoden und Verfahrensschritte notwendig. Und das wiederum bedeutet: Es gibt keine „guten“ und „schlechten“ Rohstoffe 1), höchstens gute und schlechte Zubereitungen. Wenn etwas überhaupt Einfluss auf den „Nährwert“ hat, dann ist es die Zubereitung.

Auf den Nährwert zu achten macht immer dann Sinn, wenn wir kaum etwas zu essen haben, also bei Mangel. Unsere natürliche Nahrung ist reich an Nährwerten und kann selbst durch „grobes“ Garen nicht „wertlos“ – also nährstofffrei – gemacht werden. Wir brauchen in Zeiten des Überangebotes – und das 12 Monate im Jahr – nicht wirklich penibel auf  „Nährstoffgehalte“ in unserer Nahrung zu achten. Wir sind Allesfresser, die von Natur aus ein breites Nahrungsspektrum haben und ständig neue Leckerbissen suchen (vielleicht findet sich ja etwas, das noch besser schmeckt und dem Körper noch nützlicher ist!). Allesfresser sind biologisch gut auf temporär „einseitige“ Nahrung vorbereitet, da sie ihre wichtigsten Nährstoffe (bestimmte Vitamine und Mineralien) lange deponieren oder recyceln (B 12). 

Es ist daher zu fragen, welchen Sinn Ernährungsempfehlungen machen, die sich auf Nährwertanteile (Fett, Zucker, Vitamine, Mineralien etc.) beziehen? Doch wohl nur dann, wenn es darum geht, vor minderwertigen Industrieprodukten zu warnen!

Die beste Empfehlung ist hier: Kochen zu lernen – und zwar richtig!

1) Hier sind nicht die natürlicherweise vorkommenden Qualitätsunterschiede inbezug auf HKL, Bodenbeschaffenheit, Sonnendauer, Erntezeitpunkt etc. gemeint (da gibt es natürlich deutliche Qualitätsunterschiede), sondern die biologischen Kategorien (Sorten). Demnach sind Möhren eben Möhren und kein Lammkotelett und werden daher verschiedenartig zubereitet.

Anmerkung zur Lebenserwartung der Isländer und deren Ernährung – aus: Wikipedia: 

Aufgrund des rauen Klimas und der langen Winter war die isländische Küche sehr karg. Sie kannte kaum Gewürze und verwertete traditionell alles Essbare. Die wichtigste Zubereitungsmethode war das Kochen.

Die Basis der isländischen Küche war der Fischfang.

Die Viehzucht auf Island beschränkte sich auf Schafe, Kühe und Pferde. Gegessen wurden daher auch Seevögel wie Tordalken, Trottellummen, Gryllteisten, Papageientaucher und ihre Eier, aber auch Wal– und Robbenfleisch.

Der Anbau von Getreide und Gemüse war in Island aufgrund der geografischen Lage kaum möglich, infolgedessen wurde es in der isländischen Küche kaum verwendet. Daher spielte auch Brot jahrhundertelang keine wesentliche Rolle in der Ernährung.

Mehl konnte teilweise durch gemahlenes Isländisch Moos ersetzt werden.

Rüben, Kohl, Rhabarber, verschiedene Ampfersorten, Angelica und Beeren wie Heidelbeeren, Rauschbeeren und Krähenbeeren lieferten Vitamine. Wacholderbeeren, Isländischer Thymian (blóðberg), Kerbel und Kümmel dienten als Würze.

Eine isländische Spezialität ist der Skyr, eine Art Frischkäse. Die bei der Käse-Produktion gewonnene Molke wurde für verschiedene Getränke und zum Konservieren von Fleischprodukten verwendet.

Die Konservierung von Fleisch und anderen Lebensmitteln war sehr wichtig, um die langen Winter überleben zu können. Die hierfür verwendeten Methoden waren Räuchern, Pökeln, Trocknen, Einsalzen, milchsauer Einlegen und die Fermentierung.

01.03.2010, 20:48 von Günther Henzel | 28177 Aufrufe

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