Nach gängiger Sichtweise steht und fällt der Wert unseres Essens mit seinen Anteilen besonders „gesunder” Inhaltsstoffe …

Nährwertbewahrende Zubereitung – das Ende eines Dogmas ?



Nach gängiger Sichtweise steht und fällt der Wert unseres Essens mit seinen Anteilen besonders „gesunder” Inhaltsstoffe. Seit Jahrzehnten werden unsere Nahrungsrohstoffe danach akribisch durchsucht, gezählt, gemessen und im Hinblick auf ihre Bedeutung für den Organismus verglichen. Jene Lebensmittel, die reich an verdaulichen Nährstoffen sind, gelten als wertvoll. Neben den Lager- und Schälverlusten sieht man als Hauptfeind dieser Inhaltstoffe den Kochtopf. Hier, so lernt jeder Koch, werden die meisten Vitamine wegen der hohen Temperaturen und der langen Kochdauer zerstört, gehen die ach so lebenswichtigen Mineralstoffe durch Auslaugung verloren, werden Eiweiße zu krebsauslösenden Verbindungen (z.B. denpolyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen – PAKs) verbrutzelt.

Das Mantra der Zubereitung lautet: Lebensmittel möglichst „schonend” und so kurz wie nötig zu garen. Manche Experten sind sogar der Auffassung, dass es die bessere „Alternative” wäre, Rohstoffe – vor allem Gemüse, möglichst roh, also thermisch unbehandelt zu verzehren. Nur so ließen sich die Nährstoffverluste gering halten. Diese Forderung ist umso verwunderlicher, weil überall auf der Welt seit Jahrtausenden gekocht wird und keines der Naturvölker sein Gemüse roh verzehrt. Bedenkt man in diesem Kontext noch die Warnungen der DGE, dass wir zu fett, zu süß, zu salzig und unzureichende Mengen an Ballaststoffen essen – vom „gefährlichen” Alkohol nicht zu sprechen – ist man vollends irritiert: denn die meisten Menschen lieben diese „gefährlichen” Nahrungsbestandteile. Am wohlsten fühlen wir uns nach einem köstlichen Mahl mit allem Drum und Dran, besonders, wenn es nach den Regeln traditioneller Kochkunst zubereitet worden ist. Wie erklärt sich das große Verlangen nach exakt jenen Leckerbissen, die angeblich unsere Gesundheit bedrohen?

Liegen in diesen „Sinnesbotschaften”, die uns unser Körper nach dem Genuss dieser so „schädlichen” Nahrungsgemische sendet, womöglich fehlerhafte Informationen? Stößt unser Organismus mit seinen evolutionsbiologisch herausgebildeten Erkennungsmustern für gute und schlechte Nahrung bei den Kochkunstprodukten der Neuzeit an seine Grenzen? 

Zumindest sollten diese Fragen erlaubt sein. Denn schließlich verwendet der Koch bei der Zubereitung nicht nur „gute” Butter, Sahne und Alkohol, sondern produziert und wählt vor allem Substanzen, die sich auf den Gehirnstoffwechsel auswirken. Erst dann(!) schmeckt es uns
Diese hirnchemisch wirksamen Substanzen sind entweder Produkte spezieller Zubereitung (z.B. RöststoffeglutamatreicheKomponenten) oder stammen von Pflanzen, die diese Biomoleküle zur Abwehr von Fressfeinden entwickelt haben (sog. sekundäre Pflanzenstoffe). Mit diesen Abwehrstoffen zielen sie u.a. auf die Signalübertragung des Nervensystems und des Gehirnstoffwechsels von Säugetieren. Diese Abwehr ist deshalb besonders effektiv, weil sie die molekulare Struktur von Neurotransmittern oder Botenstoffen (wie z.B. Serotonin) ihrer Feinde nachahmen. Verzehrt ein Lebewesen entsprechende Mengen, können die „gefälschten” Botenstoffe die Signalübertragungen der Nerven und die Funktion des Gehirns erheblich stören: Wahrnehmungsstörungen und Halluzinationen sind nur ein Teil dieser die Lebenstüchtigkeit erheblich beeinflussenden Effekte.

Der Mensch vermochte im Laufe seiner kulturellen Entwicklung die schädlichen Auswirkungen dieser Substanzen durch ausgefeilte Kochtechniken zu unterlaufen, indem er die Mengen dosierte oder durch Kombination mit anderen Zutaten und Verfahrenstechniken so umwandelte, dass sie gewünschte sinnwirksame Effekte im Organismus auslösten.1) So bilden sich z.B. bei der Zubereitung einer Tomatensoße aus verschiedenen Aminosäuren, etherischen Ölen, Zuckern und Neurotransmitter-ähnlichen Bestandteilen erst durch stundenlanges Simmern die gewünschten Aromen und psychoaktiven Substanzen. 
Nicht anders verhält es sich mit der Bratenkruste. Sie enthält stimmungsbeeinflussende Substanzen (β-Carboline)2), die nur durch berufliches Fingerspitzengefühl in den „richtigen” Mengenverhältnissen hergestellt werden können.


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1) Im Vergleich mit den Zubereitungstechniken der Naturvölker hat sich im Laufe der letzten Jahrtausende tatsächlich viel geändert. Ihnen sind die psychotrophen Wirkungen bestimmter Pflanzen bekannt. Allerdings verzehren sie die bewusstseinsverändernden Drogen direkt, um auf diese Weise mit ihren Göttern in Verbindung zu treten (Schamanismus). Aus diesen weltweit praktizierten Riten, sich gezielt durch Nahrungsbestandteile oder daraus hergestellten Produkten zu berauschen, ist schließlich die moderne Kochtechnik hervorgegangen. Ihre Produkte führen nicht unmittelbar zum Vollrausch und machen auch nicht abhängig (wenn wir den Faktor Alkohol hier beiseite lassen), sondern bewirken eine Stimmungsaufhellung, verschaffen ein gutes Lebensgefühl. Das gelingt über die dosierte Anreicherung von opioiden Anteilen. Fehlen dem Essen solche Anteile, ist es für unser Empfinden unattraktiv.

2) Sie hemmen ein Enzym, das körpereigene biogene Amine (z.B. Serotonin) zerlegt; Wein und Bier erleichtern die Resorption der β-Carboline (siehe dazu vielfältige Angaben weiter unten).

 


Nährwertbewahrende Zubereitung – das Ende eines Dogmas ?

Die meist zeitaufwendigen Zubereitungstechniken stehen in keinem Verhältnis zum Zugewinn an „lebenswichtigen” Nährstoffen – viele gehen dabei sogar verloren. Etwas überspitzt formuliert: Um sie geht es bei der Zubereitung überhaupt nicht! Ihre Verluste werden ohne Murren in Kauf genommen, niemand erleidet einen Nachteil oder nimmt Schaden1) – wären da nicht die Ernährungshüter mit ihren Ge- und Verboten. 
Für unser Empfinden sind Kochprodukte, die die Sinnesreize beleben, um ein Vielfaches interessanter als die als besonders gesund ausgelobten nährwertoptimierten Zubereitungen mit noch so ausgeklügelten „Vitaminschonverfahren”. Unser Organismus „zählt” keine Vitamine oder die Mengenverhältnisse von Omega-3 zu Omega-6-Fettsäuren. Er erwartet von dem was er isst, dass sich gute Gefühle während und nach dem Essen einstellen. Und die entstehen nicht durch hohe, in Prozenten ausgedrückte Nährstoffgehalte – dann reichte es, roh gewolftes Rinderfilet, Kopfsalatblätter und ein Glas Leitungswasser zu sich nehmen. Fleisch ist bekanntlich eine hochwertige Nahrung, Salat ist „leicht” und liefert „wertvolle” Ballaststoffe, und Wasser lässt alles gut rutschen und ist garantiert „cholesterinfrei”!
Dass es so nicht geht, ist jedem klar. Wir gehen eben nicht in ein Restaurant, um Eiweiße, Vitamine und Co. zu essen, sondern um sinnlich genussvolle Momente zu erleben. Das gelingt gewiss nicht mit rohem Gemüse, einer Extraportion Kleie oder üppigen Ballaststoffmengen und Leitungswasser. Erst die gekonnte Zubereitung vermag aus den „Nährstoffen” durch Rohstoffkombinationen und differenzierte Verfahren Wohlgeschmack zu erzeugen. Und Wohlgeschmack ist ein Urteil der Sinne und nicht abhängig von der Nährwerttabelle oder Ernährungsberatern.

Wie entsteht im Organismus Wohlgeschmack?


Jede Kochkunst zielt zu allererst auf die Erhöhung des Genusswertes. Dieser entsteht nur, wenn die Belohnungszentren im Gehirn (die Opiatrezeptoren) erregt werden. Unser Organismus ist mit unzähligen solcher Rezeptoren an der Darminnenwand, den Nervenbahnen und im Gehirn ausgestattet, an die körpereigene opioide Stoffe (Endorphine) andocken. Sie wirken schmerzstillend, stimmungsaufhellend und heben das Lebensgefühl. Letztendlich werden wir bereits nach der Geburt mit diesen schmerzstillenden, beruhigenden und beglückenden Botenstoffen versorgt. In der Muttermilch sind sog. Kasomorphine, die den Säugling


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1) Man denke an die Vielzahl der Extrakt- und Fleischglaceherstellungen oder das stundenlange Einkochen von verschiedenen Obstsäften zu Sirup (Apfeldicksaft: Aus sieben bis acht Litern Apfelsaft wird durch langes Erhitzen ein Liter sirupartiger, rostbrauner Dicksaft. Dabei wird nicht nur der Fruchtzucker konzentriert, sondern auch das typische süßsaure Apfelaroma. Im Gegensatz zum relativ süßen und milden Birnendicksaft schmeckt die Apfelvariante viel würziger. Hier geht es also nur um die Geschmacksqualität und um nichts anderes! Ebenso die Fermentationserzeugnisse (Sojasoßen, Balsamico-Essig u.a.m.), deren lange „Reifungsdauer” nicht zu einer Nährwerterhöhung führt, sondern den Anteil der β-Carboline. 


beruhigen (z.B. bei schmerzhaften Koliken) und ihn so „stillen” (in des Wortes doppelter Bedeutung). Der Säugling selbst bildet während des Trinkens Serotonin, das umgangssprachlich als „Glückshormon” bekannt ist. Die Milchinhaltsstoffe sorgen also dafür, dass der Säugling kein Bauchweh mehr hat und sich rundum wohlfühlt. Nicht die Nährstoffzufuhr, sondern die in der Nahrung enthaltenen oder durch sie im Körper gebildeten opioiden Anteile führen zu Wohlempfinden.


Opioide Anteile in unserer Nahrung1)
Die opioiden Anteile in unserer Nahrung wirken wie Drogen, führen aber nicht zu Abhängigkeiten, wie es die bekannten Rauschdrogen (Opium, Morphin, Kokain, Heroin etc.) vermögen. Um welche Substanzen handelt es sich, wenn wir über opioide Anteile in unserer Nahrung sprechen?

Exorphine 
Sie gleichen strukturell körpereigenen Botenstoffen (den Endorphinen)2). Es sind kurzkettige Aminosäuren (Peptidfragmente), die in den großen Eiweißmolekülen unserer Nahrung „versteckt” vorkommen [vor allem in Getreide (Weizenkleber), Milch und Fleisch]. Versteckt deshalb, weil sie erst bei der Verdauung im Darm durch enzymatische Zerlegung der Großmoleküle „freigelegt” werden. Im Gegensatz zu den anderen Eiweißabbauprodukten bleiben Exorphine im Verdauungstrakt erhalten und heften sich an die Opiatrezeptoren, da sie strukturell dem Morphin gleichen. In ihrer Wirkung unterscheiden sie sich nicht von Morphium. Nach der Resorption gelangen diese Peptide durch die Bluthirnschranke bis zu den Opiatrezeptoren im Zentralnervensystem.

Welche Exorphine individuell bevorzugt werden hängt u.a. auch von der Prägung ab. Je nachdem, ob die Nahrung unbedenklich für den Konsumenten ist, werden nach und nach die Rezeptoren gebildet, an die die Exorphine dann andocken können. Auf diese Weise entsteht eine positive Rückkopplung mit der Nahrung, man wird darauf geprägt, da sie ungefährlich ist. Oder anders: erst wenn der Körper weiß, dass die Speise für ihn vorteilhaft ist, bildet er die jeweiligen Rezeptoren aus – ein perfektes Stimulus- oder Belohnungssystem!

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1) Der nachfolgende Text referiert das Leitthema des EU.L.E.N-SPIEGEL Ausgabe 6/2008 – 1/2009 „Opium fürs Volk –   Nahrung für den Geist” und enthält eine Vielzahl biochemischer Fachbegriffe; da sie für die Wechselwirkungen und     Effekte im Organismus „verantwortlich” sind, können sie nicht ungenannt bleiben.

2) Gefühle basieren auf chemischen Prozessen im Gehirn und sind das Ergebnis verschiedenster Molekülanteile. Auch Endorphine werden durch bestimmte Reize oder Nahrungskomponenten ausgeschüttet und von den Rezeptoren aufgenommen. Sie lösen Glücksempfindungen aus.


Betrachtet man die verschiedenen Nahrungsquellen, so stellt man fest, dass genau jene Rohstoffe weltweit angebaut und gegessen werden, die einen hohen Exorphingehalt aufweisen.


Beispiele für Exorphine in unserer Nahrung:
– Fleisch enthält sog.   Haemorphine
– Milch / Käse              β-Casomorphine
– Weizen                      Gliadorphine

Das Exorphin des Weizenklebers ist etwa zehnmal so wirksam wie das Morphin aus dem Schlafmohn. Vermutlich liegt hierin der Grund für den weltweiten Siegeszug des Weizenanbaus begründet, der bei vielen Völkern den Hirsebrei durch Weizenbrot abgelöst hat.

Alkohol

Zwischen der Nikotinsucht und der Alkoholabhängigkeit gibt es eine grundlegende Gemeinsamkeit: Beim Abbau von Ethanol(dem „Trinkalkohol”) in der Leber entsteht Acetaldehyd (gesprochen: Acet-aldehyd – ein Aldehyd des Ethanols). Genau dieser Stoff befindet sich auch im Tabakrauch – er ist sogar sein Hauptbestandteil! Interessanterweise entsteht durch Nikotin allein keine echte Sucht, sonders erst in Verbindung mit Acetaldehyd, wie in Tierversuchen nachgewiesen werden konnte. Was ist an diesem Biomolekül unter dem Suchtaspekt das Besondere?

Antwort eins: Es ist extrem reaktionsfreudig! Es reagiert schnell mit körpereigenen biogenen Aminen, wie z.B. mit dem „Glückshormon” Serotonin1) oder mit Stresshormonen, den sog. Catecholaminen.2) Dabei entstehen opiatwirksame Alkaloide (siehe auch weiter unten). Die Wirkung dieser Alkaloide ist dementsprechend unterschiedlich. Wir kennen das alle: wenn es uns schlecht geht, dann vertragen wir keinen Alkohol – zumindest schlechter.
Auch im Tabakrauch sind biogene Amine.

Antwort zwei: Acetaldehyd bremst die Aktivität eines spezielles Enzyms, die Monoamino-Oxidase (MAO), das in unserem Körper dafür sorgt, dass körpereigene biogene Amine, wie z.B. Serotonin, rasch wieder abgebaut werden3) und dann folglich nicht mehr wirken. Im Fall von Serotonin ist das bedauerlich, denn dieses Hormon macht uns für eine begrenzte Zeit „glücklich”! Wird es aber nicht abgebaut, bleibt es länger im Blut und der Wohlfühlzustand hält entsprechend länger an.


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1) Ein Vertreter der Endorphine.
2) Catecholamine: die Hormone und Neurotransmitter Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin sowie Arzneistoffe; Adrenalin steigert Blutdruck und Herzfrequenz, Noradrenalin im Wesentlichen den Blutdruck und Dopamin steigert die Kontraktionsfähigkeit der Muskulatur (besonders Herzmuskel).
3) Seine Halbwertszeit beträgt nur etwa fünf Minuten, darum ist das Glück leider nur ein so flüchtiges Phänomen.

Dieser Zustand wird noch weiter verstärkt, wenn der Körper weiterhin Serotonin produziert. Die Konzentration im Blut steigt in sonst nicht übliche Höhen.

Antwort drei: Acetaldehyd und Amine reagieren spontan zu β-Carbolinalkaloiden1) (Reaktion mit dem biogenen Tryptamin). Auch sie bremsen die Aktivität der MAO. β-Carboline entstehen im Übrigen auch beim Rösten, also während der Maillardreaktion. Röststoffe kommen nicht nur in der Bratensoße, sondern in unzähligen Backerzeugnissen vor, die eine Bräunung an ihrer Oberfläche aufweisen.

Und weshalb sind für uns Bananen so attraktiv? Reife Bananen enthalten bis zu einem Prozent Ethanol! Des Weiteren enthält die Banane einen Stoff (Salsolinol)2), welcher die MAO blockiert. Die höchsten Salsolinolgehalte finden sich ingetrockneten Bananen (die deshalb in Fertig-Frühstücksmüsli nicht fehlen dürfen), Irisches Stout (weltweit bekannteste Bier ist das Guinness), Schokolade und Sojasoße.
Bedenklich ist allerdings die DGE-Empfehlung „5-mal am Tag” Obst zu essen. Bei der Verdauung wird aus dem Pektin der Früchte (Bestandteil der pflanzlichen Zellwand) Methanol freigesetzt (das ist hochgiftig und z.B. in selbstgebranntem Alkohol enthalten). Für Kinder wohl nicht zu empfehlen!

Alkaloide3)

Alkaloide wirken vor allem dann psychotroph, wenn in ihnen eine Neurotransmitterstruktur erhalten bleibt und nicht von Verdauungsenzymen zerlegt worden ist. So gibt es beispielsweise zu den Mutterkornalkaloiden (Auslöser für Ergotismus – auch Antoniusfeuer genannt) gleich drei strukturelle Ähnlichkeiten mit den körpereigenen Neurotransmittern Serotonin, Dopamin, Noradrenalin (alles Botenstoffe, die in Verbindung mit Serotonin für unser Wohlbefinden sorgen). 
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1) Diese Alkaloide werden auch Harmane genannt und gehören wie das Strychnin oder das Mutterkorngift Ergotamin zur großen Gruppe der Indolalkaloide.
2) Salsolinol entsteht in der Banane durch die Reaktion von Acetaldehyd und reichlich vorhandenem Dopamin – ein biogenes Amin aus der Gruppe der Katecholamine und ein wichtiger Neurotransmitter. Im Volksmund gilt es als Glückshormon, das z. B. bei intensivem Flow-Erlebnis ausgeschüttet wird.
3) Von arabisch al qualja: „Pflanzenasche” (griechisch -oides: „ähnlich”) sind stickstoffhaltige organische Verbindungen. Man kennt gegenwärtig etwa 12 000 verschiedene Alkaloide. Die bekanntesten sind: Morphin, Strychnin, Solanin, Capsaicin, Coffein, Nikotin, Theobromin, Ergotamin (aus Mutterkorn) u.a.m. Allen Alkaloiden ist gemein, dass sie direkt auf den tierischen und menschlichen Organismus wirken. Die meisten sind giftig und haben einen bitteren Geschmack. Sie sind aber nicht grundsätzlich und für alle Lebewesen giftig. Sie sind Kampfstoffe der Pflanzen und richten sich entsprechend gegen den jeweiligen Hauptfressfeind. So wirken manche nur auf Insekten, nicht aber auf Säugetiere. Das Coniin aus dem Schierling wird von Schafen und Ziegen gut verkraftet, von Schweinen und Rindern nur wenig – der Mensch sollte allerdings nicht aus dem „Schierlingsbecher” trinken!


Winzige Mengen reichen aus, um psychedelische Effekte auszulösen. Im Mittelalter mussten nicht wenige Frauen ihr Leben lassen, weil sie mutterkornhaltiges Getreide aßen und in ihren halluzinogenen Zuständen als Hexen galten. Alkaloide kann der Körper erheblich schwerer abbauen, als beispielsweise halluzinogene Amine und Amphetamine.
Im Colagetränk sind zwei halluzinogen wirksame Bestandteile: Myristicin1) und Elemicin. Sie sind Hauptbestandteil des etherischen Öles in der Muskatnuss. Ihre psychotrophe Wirkung entsteht vorwiegend durch die Umwandlung in der Leber zu Amphetaminen und erinnert an die Eigenschaften von Meskalin

Alkaloide (hier die Gruppe der Indolalkaloide) kommen auch in der Schale von Zitrusfrüchten vor. Die Pomeranzenschale enthält reichlich Synephrin (ein Phenylethylamin), das chemisch wie pharmakologisch mit Ephedrin vergleichbar ist und dem Hormon Noradrenalin ähnelt (wirkt u.a. antidepressiv). Marmelade und getoastetes Weißbrot ergänzen sich deshalb hervorragend, da die reichlich entstandenen β-Carboline (in der gebräunten Randschicht) den Abbau von Synephrin blockieren (MAO werden – wie durch das Salsolinol der Banane – blockiert). Hinzu kommt aber außerdem, dass das Synephrin ein wichtiges Enzym im Darm ausschaltet (das Cytochrom 450), das allgemein für die Entgiftung von Fremdstoffen sorgt. Mit anderen Worten: die Lebensdauer der β-Carboline erhöht sich.2)

Das tristgraue englische Wetter ist Legion („foggy days”) und führt bei nicht Wenigen zu „trüben” Stimmungen. Gut, dass es Toast und bitterstoffreiche Zitrusfrüchte in Form von Marmelade oder Gelees gibt. Das hellt die Stimmung auf!

Hohe Gehalte an β-Carbolinen finden sich in Gebratenem und Gegrilltem. Spitzenreiter sind Grillhähnchen. Die Ausbeute erhöht sich in Gegenwart von Marinaden deutlich, da in leicht saurem Milieu günstigere Reaktionsbedingungen vorherrschen.3) Das Ablöschen mit Weiß- oder Rotwein erhält vor diesem Hintergrund eine völlig neue Qualität (neben dem Quell- und Lösungseffekt von Bindegwebseiweiß im Röstansatz).

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1) Myristicin kommt auch vor in Dill, Petersilie, Liebstöckel und Pastinaken; aus Myristicin wird in der Leber MMDA (ist mit Meskalin strukturverwandt) – und aus Elemicin TMA (Trimethoxyamphetamin = eine Droge).
2) β-Carboline [gehören zur Gruppe der Indolalkaloide auch Harmane genannt – weil diese Stoffe das erste Mal aus einem Jochblattgewächs (Peganum harmala = Steppenraute) isoliert wurden] vertreiben Depressionen und Ängste. Synthetische MAO-Hemmer werden in der Medizin gegen Depressionen eingesetzt, weil sie den Abbau von Serotonin und Noradrenalin verhindern und damit ihre Konzentration im Gehirn erhöhen.
3) Die Gegenwart von Säure begünstigt vor allem die Bildung von Indolalkaloiden (größte Alkaloid-gruppe mit einem Indol-Grundgerüst – Doppelring).

Gewürze

Kein anderes Lebewesen als der Mensch würzt und salzt1) seine Speisen. Weshalb werden Gewürze in so großen Mengen verwendet, wenn ihr Nährwert meist gegen Null strebt? Das teuerste Gewürz Safran ist besonders begehrt. Warum? Offenbar reagieren die sehr reaktionsfreudigen Inhaltstoffe (Picicrocin und Safranal) mit Aminogruppen zu opioiden Verbindungen, die krampflösende und antidepressive Wirkung haben. 
Wie weiter oben bereits ausgeführt, sind im etherischen Muskatnussöl Bestandteile (Myristicin, Elemicin) mit nachweislich psychotrophen Eigenschaften, die an die Wirkung von Mescalin erinnern (führt zu intensiven Halluzinationen). Die in der Leber aus Myristicin und Elemicin gebildeten Amphetamine hemmen wiederum die Aktivität der Monoamino-Oxidasen. In Rattenversuchen ließen sich mit einem Milligramm Myristicin pro Kilo Körpergewicht die Konzentration von Serotonin im Gehirn verdoppeln. Glückliche Ratten!
Auch die Inhaltstoffe von Nelken (Eugenol) führen zur Bildung von Amphetaminen. Methyleugenol gilt als Betäubungsmittel und wirkt umso intensiver, je öfter es angewendet wird (die Enzymaktivität wird gesteigert). Es ist in vielen Gewürzen enthalten: u.a. in Basilikum und Lorbeer.
Die Amphetamine, die durch die Inhaltstoffe der Muskatnuss entstehen, sind alkohollöslich. Deshalb ist der Glühwein (mitZimt und Nelke) so begehrt. Wein liefert verschiedene biogene Amine, die durch die Wärme in Lösung gehen und dann rasch mit etherischen Ölen Verbindungen mit halluzinogenen Effekten eingehen.
Die wässrigen Extrakte aus Mandeln, Anis und Vanille und auch Rosinen erwiesen sich als potente MAO-Hemmer.
Die wunderbaren Düfte, die dem Weihnachtsgebäck entströmen, lassen vermuten, dass durch die hohen Backtemperaturen (ebenso Glühwein) die wichtigsten Bestandteile zumeist verloren gegangen sind. Doch die entscheidenden psychotroph wirksamen Anteile (z.B. Allylbenzole) verdampfen erst bei Temperaturen weit über 200°C
Eine weitere Möglichkeit zur Erzeugung von Halluzinogenen bietet das Pökeln mit Nitritpökelsalz. Es sorgt für eine schnelle Bildung von Harman und Norharman, zwei Vertreter der β-Carboline, die ja bekanntlich als MAO-Hemmer wirken.2) 


Quelle: EU.L.E.N-SPIEGEL 6/2008 – 1/2009 Opium fürs Volk – Nahrung für den Geist
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1) Es ist aber bekannt, dass z.B. Primaten ihre Kartoffeln vor dem Verzehr in Salzwasser reinigen und Pferde ihre Heubüschel, die sie im Maul haben, zunächst wie einen Wischlappen durch einen Salzbottich ziehen und dann erst fressen.
2) Übrigens vermögen die auch an Benzodiazepinrezeptoren anzudocken. Benzodiazepine sind Medikamente gegen Angstzustände. Der Körper bildet diese Stoffe offenbar selbst auch als endogene Neurotransmitter.

30.06.2009, 22:30 von Günther Henzel | 42953 Aufrufe

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