Säure-Basen-Theorie

Ziel des Körpers ist es, aus energiereichen Nährstoffen mittels Sauerstoff (Einatmung) Energie zu gewinnen, wobei energiearme Stoffwechselprodukte – Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O) entstehen. Da der Stoffwechsel beim Abbau der Nahrung ständig Kohlendioxid erzeugt, droht der Organismus zu übersäuern. Dieses Problem kann der Körper leicht in den Griff bekommen.

Das schwach saure CO2 löst sich gut im Blut und gelangt als Kohlensäure (H2CO3 – seine Transportform) in die Lunge. Dort geht es wieder (durch das Enzym Carboanhydrase) in den gasförmigen Zustand über und wird beim Ausatmen entfernt.

Die Konzentration von CO2 im Blut kann durch Tiefe und Frequenz der Atmung sowohl erhöht als auch erniedrigt werden. Nimmt die Säurefracht zu, atmet der Mensch unwillkürlich etwas schneller.

Tägliche Kost: mal sauer, mal basisch

Säurebildner

Unsere Nahrung enthält Substanzen, aus denen der Körper Säuren erzeugt, die nicht
abgeatmet
werden können. Säurebildner sind vor allem Fleisch, Zucker und Alkohol

Dazu gehören:

die Schwefelsäure, die beim Abbau schwefelhaltiger Aminosäuren (die besonders im Bindegewebe enthalten sind = tierische Nahrung) entsteht.

Werden Kohlenhydrate und Fettsäuren unvollständig (anaerob) abgebaut, dann entstehen Milchsäure oder Acetessigsäure.

Harnsäure, die aus dem Abbau von Nukleinsäuren (DNA und RNA) entsteht; diese Kernsäuren befinden sich gleichermaßen in tierischen als auch pflanzlichen Zellen.

Phosphorsäure, die aus den Phosphatgruppen der Kernsäuren entsteht.

Basenbildner

Basen fallen im Körper vorwiegend durch pflanzliche Kost an. Grund: Pflanzen nehmen mit ihren Wurzeln gezielt Mineralien aus dem Boden auf (z.B. Kalium, Calcium, Magnesium – aber auch Eisen).
Hat eine Pflanze einen besonders hohen Säureanteil (z.B. Zitronen– oder Oxalsäure) bildet sie mit z.B. Calciumionen aus den Säuren Salze (die chemischen Fachbegriffe dieser Salze enden auf-at). Auf diese Weise kann die Pflanzenzelle Säureüberschüsse in Form von Salzen in den Vakuolen z.B. als Calziumoxalat zwischenlagern, das besonders in oxalsäurehaltigen Gemüsen wie Spinat oder Rhabarber vorkommt.

Der menschliche Stoffwechsel baut derartige Salze organischer Säuren zu basischen Hydroxidionen (OH) ab, die zusammen mit dem Kohlendioxid (CO2) basisches Bicarbonat (H2CO3) ergeben. Sie ist eine so genannte Pufferbase, um das Säure-Basen-Gleichgewicht im Blut aufrecht zu erhalten.
Pflanzenkost, sofern sie reich an organischen Salzen ist, versorgt uns deshalb mit Basen.

Regulierung des pH-Wertes

Für den Organismus ist der pH-Wert von so zentraler Bedeutung, dass er ihn (kraft Evolution) problemlos ohne „Ratschläge“ von Außen (Ernährungsempfehlungen) mit biologisch äußerst wirksamen und miteinander verzahnten Regulationsmechanismen stets auf dem erforderlichen Niveau halten kann. Schon geringe pH-Wert Abweichungen würden zu schweren Beeinträchtigungen physiologischer Prozesse führen.

Der pH des Blutes liegt zwischen 7,37 und 7,44; bei einem Blut-pH von 7,0 gehörte diese Person bereits auf die lntensivstation! 

Der pH des Zytoplasmas (Zellflüssigkeit) liegt zwischen 7,0 und 7,2 – also neutral bis schwach basisch.
Der pH in einigen Zellorganellen (Lysosomen) um 5,0 – also recht sauer.
Der pH des Mundspeichels 5,5 – 6,5 (in der Remineralisationsphase = Kalzium, das durch Säureeffekte verloren geht, wird wieder in die Zahnoberfläche eingelagert) und während des Essens bis 7,7 – ein Wert, bei dem die Enzyme der Speicheldrüsen optimal arbeiten.

Demnach hat jeder Zellbereich, jede Organelle einen anderen pH, den sie selbstredend auch exakt einstellt (der Magensaft hat einen pH 2 und kleiner, das Bauchspeichelsekret pH 8 und der pH von Ammoniak, einem Stoffwechselprodukt von Eiweißunabhängig, ob pflanzlichen oder tierischen Ursprungs – liegt sogar bei 12!).

Und warum macht sich der Körper diese Mühe?

Erstens arbeiten Enzyme, zu denen auch Transportproteine gehören, nur bei bestimmten pH-Werten optimal. So benötigen lysosomale Enzyme einen sauren pH. Würde ein solches Enzym oder ein Transportprotein „fehlgeleitet“ sein [z.B. durch Verletzungen – Bisse, Brüche u.a.m. – der Zellmembranen etc.] und ins Zytoplasma gelangen, können sie erheblichen Schaden anrichten. Da aber in der Zellflüssigkeit ein höherer pH-Wert vorliegt, würden diese Enzyme auf der Stelle denaturiert und damit funktionsuntüchtig werden.
Wie nun reguliert der Organismus die oben genannten unterschiedlichen pH-Werte? Er bedient sich so genannter Puffer-Systeme.

1. Abpufferung im Blut

Das basische Bicarbonat (HCO3-) nimmt ein Proton (H+) auf, das durch Säure ins Blut gelangt ist und wird zu Kohlensäure (H2CO3). So kann das Proton kein Unheil mehr anrichten; die Kohlensäure zerfällt dann (s.o.) in der Lunge zu CO2 und H2O. Da der Organismus zum Abfangen der Protonen regelmäßig Bicarbonat benötigt, stockt er diesen Pool erstens über pflanzliche Kost auf (s.o.) und zweitens über Salze der Zitronensäure (Citrate), die sich genauso im Fleisch befinden oder aber vom menschlichen Organismus selbst ständig gebildet werden (Citrat und Lactat).

2. Abpufferung durch die Niere

Die Kohlensäure wird aber nicht nur über die Lunge entsorgt, sondern gelangt teils auch mit dem Blut in die Niere. Sie (die Niere) „klaut“ dem H2CO3 ein Proton, das direkt mit dem Harn ausgeschieden wird (lässt sich mit einem pH-Papier messen), wodurch dem Körper wieder der Puffer Bicarbonat (HCO3-) zur Verfügung steht. Die Niere kann aber auch noch mit Phosphat (HPO4 2-) ein oder Sulfat (SO4 2-) zwei Protonen ebenfalls aus dem Blut filtern – letzteres wird als Schwefelsäure (H2SO4) ausgeschieden.

Aber das ist noch nicht alles, was die Niere kann. Sie vermag aus der Aminosäure Glutamin (mit Hilfe des Enzyms Glutaminase) basisches Ammoniak (NH3) herstellen. Dieser liebt Protonen und wird zu Ammonium (NH4+), das dann mit dem Urin ausgeschieden wird.

Fallen einmal besonders viele Protonen an, so ist die Niere in der Lage, nicht nur die Phosphatausscheidung zu erhöhen, sondern auch ihre Ammoniaksynthese zu verzehnfachen!     Auf diese Weise wird der Löwenanteil der Säurefracht im Harn durch den basischen Ammoniak neutralisiert und der pH- des Urins sinkt nicht unter den Wert 4.

Gibt es pH-Wert Probleme durch ungezügeltes Essverhalten?

Angeblich leiden etwa 80% der Bevölkerung an einem Säure-Basen-Ungleichgewicht, das mit dem hemmungslosen, ungezügelten Verzehr von Fleisch, Zucker und Alkohol begründet wird. Zivilisationskrankheiten würden hier ihren Anfang haben und gelten den Ernährungsberatern, Naturheilärzten und Heilpraktikern als Urgrund aller denkbaren Beschwerden.

Unter wissenschaftlicher Betrachtung ist diese Annahme nicht zu belegen. Bei üblicher westlicher Mischkost kommt es bei einem Erwachsenen zu einem Säureüberschuss von 40 bis 80 Millimol Protonen pro Tag. Dieser wird vom Körper problemlos eliminiert und abgepuffert.
Die Niere vermag täglich sogar 400 – 1000 Millimol Säureäquivalente auszuscheiden. Um eine derartige Säuremenge im Körper zu erzeugen, muss man mehrere Kilo Steaks verdrücken. Inuit, Massai oder Argentinier haben keineswegs all jene Krankheiten, die sie (wegen der großen Mengen tierischen Eiweißes) gemäß der „Übersäuerung-Theorie“ haben müssten.

Selbst Bodybuilder, die viermal täglich Proteindrinks konsumieren, sind nicht von
Übersäuerung bedroht. Grund: das gelöste Pulver enthält relativ geringe Mengen an Methionin und Cystein – also jene Aminosäuren, aus denen überschüssige Protonen entstehen können. Ein Drink bringt es auf eine Protonenfracht von gerade mal 40 Millimol.
Selbst eine einseitige oder extreme Ernährung vermag das Säure-Basen-Gleichgewicht nicht auszuhebeln. Oder umgekehrt: Der menschliche Körper ist auf eine „abwechslungsreiche Mischkost“ nicht angewiesen.


Anmerkung:
Es sind nicht immer Hirschkeulen, Holzfällersteaks oder Hachsen, die einen sauren Urin verursachen: Den findet man auch bei Hungernden, bei Patienten mit hohem Fieber oder aufgrund von Bakterienaktivitäten (Entzündungen) im Harnweg. Schließlich wird der Säure-Basen-Haushalt über die Niere reguliert. 
Überschüsse – egal ob sauer oder basisch – werden ausgeschieden. Sein pH- lässt keine Rückschlüsse auf das „innere Milieu“ des Körpers zu. Nach dem Verzehr schwefelreicher tierischer Nahrung ist der Urin ein wenig saurer, bei vorwiegend pflanzlicher Kost entsteht mehr basisches Bicarbonat, das im Falle eines Überschusses ebenfalls ausgeschieden wird.

Daher: Der Urin gesunder Fleischfresser ist eher sauer, der von gesunden Pflanzenfressern eher basisch.

Säurefracht durch Fleischgenuss:

Ein Kilogramm mageres Rindfleisch enthält etwa 220 g Eiweiß

Darin sind 3 g Cystein und 7g Methionin enthalten, aus denen Protonen entstehen können.

Auf das Molekulargewicht umgerechnet ergib sich daraus eine Protonenfracht von 60 Millimol für Cystein und 140 Millimol für Methionin, wobei 100g Aminosäuren einem Mol H+ entsprechen und aus jeder Aminosäure zwei H+ entstehen können

Demnach bilden sich im Stoffwechsel beim Verzehr von einem Kilogramm Rindfleisch maximal 200 Millmol H+. Selbst wer an einem Tag zwei Kilo Fleisch vertilgt, dürfte folglich weniger seine Nieren als sein Gebiss strapazieren.

Quelle: EU.L.E.n-SPIEGEL

3-4/2006 

23.07.2009, 20:29 von Günther Henzel | 20688 Aufrufe

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